Heute wird eine Delegation der Landeshauptstadt Dresden zur Deutschen Woche in unsere Partnerstadt nach Sankt Petersburg reisen. Auch ich hatte zunächst eine Teilnahme an dieser Reise geplant. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich jedoch entschieden, an dieser Reise nicht teilzunehmen. Es ist meine feste politische Überzeugung, dass ein Besuch unserer wunderschönen Partnerstadt Sankt Petersburg und der Kontakt zur russischen Zivilgesellschaft ein wichtiger Teil der gelebten Partnerschaft zwischen unseren beiden Städten sein muss. 1941 bis 1944, während der verbrecherischen 28 monatigen Belagerung durch die deutsche Wehrmacht, haben unvorstellbare 1,1 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner unserer Partnerstadt Sankt Petersburg ihr Leben verloren. Gewachsen aus dem Wunsch nach Versöhnung entstand seit nunmehr 60 Jahren eine gemeinsame Partnerschaft, die von Freundschaft, Respekt und kulturellem Austausch geprägt ist. Die Partnerschaft zwischen unseren beiden Städten ist zweifelsohne eine besondere.
Doch warum fahre ich trotzdem nicht mit nach Russland?
Ich habe mich im Februar dieses Jahres für diese Reise beworben. Damals sanken die Corona-Infektionszahlen signifikant und wir alle hatten die Hoffnung, aus der zweiten Welle in die Normalität zurückzukehren. Leider hat sich diese Hoffnung durch das Auftreten der Corona-Mutation zerschlagen.
Ich halte es vor dem Hintergrund, dass die Politik derzeit von den Bürgerinnen und Bürgern Kontaktbeschänkungen fordert und zur Vermeidung jeglicher Reisen aufruft, für nicht angemessen, zum jetzigen Zeitpunkt eine Flugreise mit zahlreichen unvermeidbaren Kontakten anzutreten.
Wir stehen unmittelbar vor dem dritten Lockdown. In einer Pandemiesituation, die unsere Gesellschaft, unser Gesundheitssystem, unser Wirtschafts- und Kulturleben vor riesige Herausforderungen stellt, sollten Politikerinnen und Politiker den Eindruck vermeiden, als ob die Regeln, die sie aufstellt, nicht auch für sie selbst gelten.
Welches Zeichen sendet diese Reise an alle Menschen, die in Dresden an dieser furchtbaren Pandemie leiden? Ihr dürft nicht nach Mecklenburg reisen, aber wir als Politikerinnen und Politiker dürfen das?
Ich habe die Rathausspitze vor zwei Wochen über meine Entscheidung informiert und um eine Verschiebung der Reise in Post-Corona-Zeiten gebeten. Dann wäre zwar nicht die deutsch-russische Woche der Anlass für die Reise gewesen, dafür aber sicher ein anderer Anlass im 60. Jahr unserer Städtepartnerschaft. Leider wurde dieser Bitte nicht gefolgt.
Für mich sind aber vielmehr der Austausch und die Gespräche wichtig – und nicht der formale Anlass einer Reise. Überdies hätte OB Hilbert dann auch die vornehmste Aufgabe eines Stadtoberhauptes, die Leitung der Stadtratssitzung, selbst wahrnehmen können.