Am 1. Dezember habe ich meinen 1. Energiepolitischen Dialog geführt, natürlich digital. Sowohl die Stadt Dresden als auch der Freistaat Sachsen stehen merklich unter dem Einfluss des Klimawandels und haben großes Potential den Umschwung von fossilen zu erneuerbaren Energien nun anzugehen. Der Koalitonsvertrag gibt auf Landesebene dafür die Marschrichtung vor: Ein Energie- und Klima-Plan, 4 TWh Zubau an Erneuerbaren bis 2024, der Kohleausstieg und viele Verbesserungen bei Planung und Genehmigung.
Um all diese Vorhaben in die Tat umzusetzen und sich von den Anhängern des Status quo nicht ausbremsen zu lassen, braucht es in der Staatsregierung und insbesondere im SMEKUL engagierte Expertinnen und Experten. Einer davon ist Staatssekretär Dr. Gerd Lippold, welcher am 1. Dezember mein Gast und Ansprechpartner war.
Auf der anderen Seite müssen diese Ziele vor Ort erreicht werden. Wichtige Player dabei sind die Energieversorger in kommunaler Trägerschaft, also DREWAG und ENSO. Zusammen, als neue SachsenEnergie AG sollen sie bis 2035 klimaneutral werden. An den Schaltstellen der DREWAG dafür sitzt als Leiter für Erzeugung Herr Dr. Rutger Kretschmer, welcher als mein Gast ebenfalls versuchte, Antworten auf die Frage zu geben „Sachsen 100% erneuerbar, wie kommen wir dahin?“.
Ausgangspunkt für eine fundierte Diskussion dieser Frage war für uns der aktuelle Stand aus Sicht der Landesregierung.
Auszüge aus der Diskussion (sinngemäße Transkription)
Wann ist der neue Energie- und Klimaplan des Freistaates Sachsen fertig?
Darauf antwortete StS Dr. Lippold:
Das EKP ist seit Juni 2020 bereits in der Ressortabstimmung, weil Energie und Klimaschutz sich als Querschnittsthema durch sämtliche Ressorts ziehen, vom Tourismus über die Landwirtschaft und die Wirtschaftspolitik. Das macht es so komplex in einer Dreier-Koalition. Alleine in diesem Prozess gab es 700 Rückmeldungen aus den anderen Ministerien zusätzlich zu den Stellungnahmen der Kommunen und Verbände. Wir sind jetzt an der Stelle, dass noch im Dezember auf Spitzenebene eine Besprechung in der Staatskanzlei erfolgt und letzte politische Festlegungen getroffen werden. Wir hoffen, dass wir noch in diesem Jahr das EKP ins Kabinett kriegen.
Wie steht es um die Ausbauziele, um die Mindestabstände bei Windkraftanlagen, bei der Flächenausweisung bei Solaranlagen?
Antwort StS Dr. Lippold:
Die Ausbauziele sind sehr konkret im Koalitionsvertrag mit 4 TWh definiert und sind sehr ambitioniert, wenn man sich die Planungs- und Genehmigungszeiträume anschaut. Die Mindestabstände bei der Windenergie müssen also zu diesen Zielen passen. Das haben wir in verschiedenen Szenarien von der SAENA berechnen lassen, wir befinden uns da in weiteren Abstimmungen.
Das Thema Repowering hat in Sachsen den Haken, dass viele Bestands-Windanlagen nicht in Vorranggebieten stehen, wie sie in den Regionalplänen ausgewiesen sind. Diese sind nicht ohne Weiteres repowerbar. Weil vor Ort aber die Akzeptanz und der Wille zum Repowern häufig da ist, planen wir von Landesseite den Kommunen die Möglichkeit zu geben, diese Standorte auch außerhalb der Regionalpläne zur genehmigen.
Bei der Photovoltaik sind wir gerade dabei eine Rechtsverordnung zu schaffen, welche die Länderöffnungsklausel des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes umsetzt. Damit kann Sachsen die Ausnahme nutzen, Solarkraftwerke auf zusätzlichen Flächen, z.B. „benachteiligten Flächen“ mit landwirtschaftlich niedrigen Erträgen, genehmigen. Darüber hinaus haben wir über den Bundesrat eine Änderung in das neue EEG rein verhandelt, die Agro-Photovoltaik und Floating-Photovoltaik erstmals ermöglichen. Damit wollen wir die Flächenkonkurrenz zwischen Landwirtschaft und Solarwirtschaft entschärfen. Die Umsetzung in der Praxis soll zunächst im Versuchsgut Köllitsch erprobt werden.
Wie kann sichergestellt werden, dass die Ziele des EKP von allen Seiten verfolgt werden?
Dazu StS Dr. Lippold:
Über die Verordnung können zusätzliche Flächen für erneuerbare Energien ausgewiesen werden. Außerdem gibt es ja die bestehenden Regionalpläne, welche entsprechende Vorrangflächen ausweisen. Das heißt es kommen auf jeden Fall neue Flächen hinzu. Und wer jetzt dabei Verhinderungsplanung betreibt, macht seinen Regionalplan vor Gericht ganz einfach angreifbar, aufgrund der Privilegierung der Erneuerbaren, z.B. im Bundesbaugesetz. Wenn also so ein Regionalplan vor Gericht kippt, dann fällt diese konzentrierte Planung weg und Windkraftanlagen können überall dort zugelassen werden, wo einer einen Antrag stellt. Aber natürlich muss die Staatsregierung mit einem Gesamtpaket auf die äußerst ambitionierten Ausbauziele des Koalitonsvertrages antworten, deswegen wird es z.B. auch in der Bauordnung keine Abstandsregeln geben, welche diese Ziele ad absurdum führen.
Die DREWAG hat ja 3 Windparks außerhalb der Fläche von Dresden, welche Ausbau-Potentiale gibt es innerhalb des Stadtgebietes?
Antwort Dr. Kretschmer:
Aufgrund der Lage der Flächenkonkurrenz innerhalb Dresdens gibt es nur wenig Potenzial für die Windkraft. Außerdem gilt es im geschützten Kultur- und Naturraum der Stadt zusätzlich auf Sichtachsen zu achten. Große Windparks sind damit nicht möglich. Aber schon heute hat die DREWAG außerhalb der Stadt Windparks mit einer Leistung von 55 Megawatt, was noch Luft nach oben lässt.
Anders sieht es bei der innerstädtischen Nutzung von Photovoltaik aus. Da lässt sich der Flächenkonflikt umgehen, denn auf Schrägdächern ist der Einfallswinkel für die Sonne bereits optimiert. Auf jedes tragfähige Dach in Richtung Ost, Süd und West könnte und sollte eine Solaranlage kommen. Mit einem entsprechenden politischen Willen ließe sich dieses Potential auch nutzen. Da könnten wir viel erreichen.
StS. Dr. Lippold ergänzt:
Aufgrund des kulturell geschützten Elbtals gab es auch vor Jahren im Regionalplan-Verfahren nie eine Lobby für Windkraft in Dresden. So wurden im genehmigten Plan weder Vorrang- noch Eignungsgebiete ausgewiesen. Damit ist das Kind erstmal in den Brunnen gefallen und es bleibt nur die Öffnung für Planungen außerhalb des Regionalplans, wie sie unsere Verordnung ermöglichen wird.
Wenn wir jetzt das Ziel „Sachsen 100% erneuerbar!“ formuliert haben und die vereinbarten Abstandsgebote, Immissionsschutz, u.s.w. berücksichtigen, welche Fläche des Landes brauchen wir denn zukünftig für die Energiegewinnung?
StS Dr. Lippold:
Energieverbrauch spaltet sich ja in Strom und Wärme. Wenn wir jetzt den Stromverbrauch betrachten, dann können wir das in Sachsen locker schaffen. Wir müssten zwischen 1,5 und 2 % der Landesfläche für Windenergie zur Verfügung stellen und würden damit die Hälfte unseres Bedarfs decken. Für die andere Hälfte reichen die heute versiegelten Flächen auf Gebäuden, wenn man sie, wo geeignet, mit Photovoltaik ausrüstet. Für den Strompreis sind große Solarparks auf neu ausgewiesenen Freiflächen natürlich günstiger als hunderte Kleinanlagen. Wenn wir allerdings die Kopplung mit der Wärme und Mobilität, welche heute noch fossil betrieben werden, auf Strom umstellen, werden wir einen massiv höheren Stromverbrauch in Zukunft haben. Deshalb sind hier Effizienzsteigerung und Einsparungen ganz zentral, um die 100% in der Zukunft zu schaffen.
Wie schaffen wir es denn die Akzeptanz für erneuerbaren Energien vor Ort bei den Bürgerinnen und Bürgern zu gewinnen?
StS Dr. Lippold:
Wir wollen die SAENA um eine neutrale, kompetente Akzeptanz- und Service-Stelle nach dem Vorbild von Bayern oder Thüringen erweitern. Parallel bauen wir ein Akzeptanz-Management im Ministerium auf, welches vor Ort Stakeholder identifiziert und in Austausch bringt. Außerdem werden wir die Situation adressieren, dass das Land die Energie für die Stadt erzeugt und alle Auswirkungen bei sich in der Nachbarschaft erträgt, ohne bisher einen Vorteil davon zu haben. Das Modell einer kommunalen Außenbereichsabgabe hat sich dafür sozial bewährt: Für jede erneuerbar erzeugte Kilowattstunde auf dem Grund einer Gemeinde fließt ein fester Betrag zurück in die Gemeindekasse und kann für Kindergärten, Sportplätze, Schulen u.s.w eingesetzt werden. Eine einzige moderne Windanlage könnte so ungefähr 20.000 € Jahr für Jahr einbringen. Sowas schafft in Gemeinderäten auch andere Mehrheiten.
Welche Rolle spielen die Einsparungen? Der Freistaat ist ja Eigentümer vieler und großer Immobilien, welche Vorbildwirkung kommt dem zu? Wie können wir bei der Wärmeversorgung künftig die Energiewende schaffen?
StS Dr. Lippold dazu:
Natürlich haben wir im Haushalt entsprechende Vorgaben gemacht, denn die angesprochene Vorbildwirkung wurde ja im Koalitionsvertrag verankert. Das Sächsische Immobilien und Baumanagement SIB verwaltet die Staatsgebäude. Eine erste Vereinbarung für Installation 10 Megawatt Solarpanele auf den Dächern seiner Gebäude bis 2030 wurde getroffen. Gleichzeitig bringen wir endlich Ladesäulen für den Fuhrpark voran, die dann mit Solarstrom vom Dach gespeist werden.
Was die energetische Sanierung angeht, so ist die große soziale Herausforderung natürlich, das warmmietenneutral für die Mieterinnen und Mieter zu gestalten. Wir haben vereinbart, dafür vorzugsweise Fördermittel des Bundes auszuschöpfen und die Aufstellung kommunaler Wärmenutzungspläne über die SAENA zu unterstützen, sodass die Wärmewende maßgeschneidert vor Ort gelingen kann. Aber natürlich ist die energetische Sanierung eine gigantische Aufgabe, die aus Landesmitteln nicht zu stemmen ist: Um einigermaßen bis 2050 die Klimaschutzziele zu schaffen, müssten wir unsere jährliche Sanierungsquote von aktuell nicht mal 1% verdoppeln oder verdreifachen!
Dr. Kretschmer ergänzt:
Natürlich ist die Sanierungsquote zu gering in Sachsen. Deswegen macht die Doppelstrategie auch Sinn: Allein die Fernwärme spart 30 – 50 % Primärenergie ein, selbst wenn sie aus Erdgas erzeugt wird. Wenn man das kombiniert mit der Nutzung von Abwärme, regenerativen Energien, Geothermie, Solarthermie, Powert-to-Heat-Technologien und ein komplexes, dezentrales Wärmenetz baut, sind die Einsparpotentiale noch größer: Ein Wärmenetz ist ein Energiesspeicher par excellence! Denn auch bei der besten Sektorenkopplung, wird es bei der Stromerzeugung aus Erneuerbaren immer zu Überschüssen kommen. Auch das Thema Niedertemperatur-Wärmenetze haben wir auf dem Schirm und haben bereits Quellen dafür identifiziert, die wir auch nutzen werden. In der Gesamtbetrachtung von Sanierung und Fernwärme lässt sich also durchaus ein zukunftsfähiges Paket schnüren, insbesondere dann, wenn die Wärme immer grüner wird.
StS Dr. Lippold:
Dazu kommt ja ab 2021 noch das Signal über den Brennstoff-Emmisionshandel an die Bauherren und Eigentümer: Plane anders, baue nachhaltig, nutze erneuerbare Energien, spare ein! Weil Wärme wird unbezahlbar teuer werden, wenn man auf dem Stand von 2020 einfach weiterbaut.
Wenn wir uns mal auf die angesprochenen Speichertechnologien konzentrieren, welche Lösungen haben wir dafür?
StS Dr. Lippold:
Zunächst einmal müssen wir uns dafür die Frage stellen: Was ist ein sicheres Stromnetz? Nämlich eines in der man zu jeder Zeit die gewünschte Menge an Strom entnehmen kann. Da gibt es mehrere Wege, dies zu erreichen. Auch für Erneuerbare gibt es mittlerweile sehr präzise Vorhersagen, welche sie planbar machen. Also reden wir tatsächlich nur über die Momente, in welcher die Nachfrage an Strom höher ist als das Angebot im Netz. Dafür sind Speicher nur eine mögliche Option. Insbesondere an den Netzknoten spielen sie eine entscheidende Rolle, um in Echtzeit Schwankungen auszugleichen. Damit ersetzen diese dezentralen Speicher die großen rotierenden Generatoren aus den konventionellen Kraftwerken, weil sie instantan und stabilisierend einsetzbar sind. Durch seinen hohen Wirkungsgrad ersetzt 1 Megawatt Batteriespeicher ganze 10 Megawatt an rotierenden Lasten. Damit sind wir in der Lage, durch einen verhältnismäßig geringen Speichereinsatz die Systemrelevanz der alten Kohlekraftwerke zu ersetzen.
Dr. Kretschmer ergänzt:
Genau diese Technologie betreiben wir im Innovationskraftwerk Reick heute schon, das kann man sich in der Praxis anschauen. Auch unsere neue KWK-Flex-Anlage ist genau für diesen Fall ausgelegt. Es wird Zeiten geben, wo sie nicht genutzt wird, aber sie hat eben die Eigenschaft, dass sie binnen 3 Minuten mit 80 Megawatt am Netz sein kann. Denn wenn der Strom instantan geliefert werden muss, dann muss auch aktiv etwas passieren und die Technik dafür haben wir heute schon im Kraftwerk in Reick.
Ich bedanke mich für diese erkenntnisreiche Diskussion, besonders bei meinen Gästen, Staatssekretär Dr. Gerd Lippold, aus dem SMEKUL und den Leiter der Erzeugung bei der DREWAG, Herrn Dr. Rutger Kretschmer, sowie bei den zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern über Zoom und bei Facebook im Livestream.
Ich freue mich darauf, diesen Gesprächsfaden wieder aufzunehmen und in einiger Zeit zu schauen, wie weit wir vorangekommen sind!