Im Stadtrat Dresden wurde in der vorletzten Sitzung ein folgenschwerer Beschluss zum kooperativen Baulandmodell gefasst. Hinter dem sperrigen Titel verbirgt sich ein wichtiges wohnungspolitisches Thema. Auch wenn sich der Beschluss am Ende als unrechtmäßig erwies, ist es damit nun wieder in den Fokus der wohnungspolitischen Öffentlichkeit gerückt.
Was war geschehen? Eine Mehrheit des Stadtrates aus Grünen, SPD und Linken hatte am 6. Juni 2019 die Einführung des kooperativen Baulandmodelles in Dresden durchgesetzt.
Dieses regelt, dass bei der Aufstellung von Bebauungsplänen grundsätzlich durch städtebauliche Verträge nach § 11 BauGB bzw. Durchführungsverträge nach § 12 BauGB sicherzustellen ist, dass 30 % der Geschossfläche als geförderter mietpreis- und belegungsgebundener Wohnungsbau entsprechend der jeweils geltenden Förderrichtlinie des Freistaates Sachsen errichtet werden müssen (1).
Wer in Dresden Wohnungsbau in größerem Stil betreibt, muss also 30 % seines Bauvorhabens als sozialen Wohnungsbau errichten. Dazu bekommt er vom Freistaat Sachsen Fördermittel, die über die Förderrichtlinie Gebundener Mietwohnraum in Sachsen vergeben werden (2).
Der Sinn dieser Regelung ist zweierlei: Einmal wird so außerhalb von kommunalen Wohnungsgesellschaften sozialer Wohnraum geschaffen. Auf der anderen Seite wird in eher hochpreisigen Quartieren eine soziale Durchmischung erreicht.
Die Stadtverwaltung Dresden hatte nun eine Vorlage in den Stadtrat gebracht, die für fünf größere Bauvorhaben, welche vor dem Stichtag der Einführung des kooperativen Baulandmodelles in Dresden bearbeitet wurden, eine Absenkung der Quote für den sozialen Wohnungsbau von 30 % auf 15 % vorsah. Dies ist sinnvoll, da die Vorhabenträger einen Vertrauensschutz genießen.
Diese Vorlage nutzten CDU, FDP, Freie Wähler und AfD, um die gesamte Satzung zu kippen und in Zukunft für alle Bauvorhaben statt 30 % lediglich 15 % zu fordern. Das bedeutet de facto die Halbierung der Anzahl der Sozialwohnungen.
Auch wenn der Oberbürgermeister der Stadt Dresden am Ende dem Beschluss widersprochen hat, wird es nun eine politische Diskussion im Stadtrat Dresden zur Zukunft des kooperativen Baulandmodells geben, denn der Oberbürgermeister hat eine neu Vorlage erstellt in der nun lediglich 15% Sozialwohnungsbau für alle künftigen Bauvorhaben vorgeschlagen werden.
Faktisch haben die Fraktionen, die das 30 %-Modell vor anderthalb Jahren beschlossen haben, keine eigene Mehrheit mehr im Stadtrat.
Grüne, SPD und Linke kommen zusammen nur noch auf 33 Stimmen (von insgesamt 70). Rechnet man die Vertreter von Pirat und Partei dazu, sind es 35 Stimmen. Für eine Mehrheit im Rat braucht man mindestens 36 Stimmen. Da OB Hilbert sich bereits auf die 15 %-Quote für den Sozialwohnungsbau festgelegt hat, sieht es aktuell nicht nach einer Mehrheit für eine 30 %-Quote aus.
Das ist aus oben benannten Gründen fatal. Da es aber momentan wahrscheinlich keine Mehrheit im Stadtrat Dresden für eine 30% Quote gibt, müssen wir in Verhandlungen eine langfristig politisch belastbare Lösung deutlich jenseits der 15 % Quote erreichen. Es darf nicht passieren, dass wir kompromisslos auf der 30% Lösung beharrend, am Ende jeden Verhandlungsweg verbauen und faktisch bei 15% landen. Eine kompromisslose Haltung ist vielleicht im ersten Moment populär, schadet aber faktisch dem Ziel, den maximalen Bestand an Sozialwohnungen in Dresden zu erreichen.
Für einen Verhandlungsweg spricht auch, dass so ein wichtiger Beschluss nicht von einer Zufallsmehrheit im Stadtrat abhängen darf. Auch die Bauwirtschaft ist in dieser Frage auf Verlässlichkeit und langfristige Berechenbarkeit angewiesen.
Im Land Sachen wird gerade die Förderrichtlinie für den sozialen Wohnungsbau fortgeschrieben. Es geht darum, wichtige Anpassungen vorzunehmen, um die Attraktivität des Sozialwohnungsbaus für kommunale Gesellschaften, Genossenschaften oder private Bauherren zu steigern.
Eines ist sicher: Geld wird in den kommenden Jahren genügend für den sozialen Wohnungsbau in Sachsen vorhanden sein.
Meine kleine Anfrage (KA 7/2500) im sächsischen Landtag ergab, dass von 2017 bis 2019 durchschnittlich 40 Mio. Euro pro Jahr Fördermittel für den Sozialwohnungsbau in Sachsen zur Verfügung standen.
Davon wurden im Jahr 2017 lediglich 12,7 Mio. Euro, im Jahr 2018 31,93 Mio. Euro und im Jahr 2019 29,65 Mio. Euro abgerufen. Das heißt, die Mittel wurden in keinem Jahr vollständig ausgeschöpft.
Vergleicht man, wie viele Wohnungen in Leipzig und Dresden 2017 bis 2020 mit Unterstützung des Förderprogrammes insgesamt gebaut wurden, fällt auf, dass in Leipzig mit 1429 Wohnungen weit mehr Wohnungen als in Dresden mit 695 errichtet wurden. Auf die kommunalen stadteigenen Wohnungsgesellschaften entfallen in Leipzig 570 und in Dresden 500 Wohnungen (WID).
Demgegenüber stehen in Leipzig mit 700 neu fertig gestellte, mietpreisgebundene Wohnungen von privaten Vorhabenträgern. Dresden hat im gleichen Zeitraum nur 195 neue fertige Wohnungen aufzuweisen.
Vor diesem Hintergrund nur eine 15 %-Quote für den sozialen Wohnungsbau in Dresden zu fordern, ist doppelt verschenkt: Verschenkte Fördergelder in großem Stil und verschenkte Sozialwohnungen, die nicht gebaut und damit nicht zur Verfügung stehen werden.
- https://www.dresden.de/media/pdf/stadtplanung/stadtplanung/2019-07-15_KBM_DD_-_Auszug_Veroeffentlichung_Amtsblatt.pdf
- https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/17055