Stärken und Schwächen des ersten Preises beim Wettbewerb „Königsufer und Neustädter Markt“ in Dresden
Die Stadt Dresden veranstaltete 2019 einen städtebaulichen Ideenwettbewerb zur zukünftigen Gestaltung des Königsufers und des Neustädter Marktes. Erstmals wurde in einem aufwendigen, mehrstufigen Verfahren eine wegweisende Bürgerbeteiligung zu einem wichtigen städtebaulichen Thema in Dresden initiiert. In insgesamt drei Veranstaltungen wurden die Einwohner an der Gestaltung dieser wichtigen städtebaulichen Aufgabe beteiligt. Neben den Fachpreisrichtern und Stadträten saßen auch zwei Bürger in der Jury, die per Losverfahren ausgewählt wurden. Die Veranstaltungen „Bürgerblick“ besuchten teilweise mehr als 500 Bürgerinnen und Bürger.
Neben dem Königsufer hatte der Stadtrat das Gebiet um den Neustädter Markt ebenfalls zu einer Bearbeitung empfohlen. Das war wichtig, um die Wirkung der Planungen auch hinsichtlich des Neustädter Marktes und der großen Meißner Straße beurteilen zu können.
Aus insgesamt 28 Arbeiten entschied sich die Jury für die Arbeit von Bernd Albers/Gesellschaft von Architekten (Berlin), mit Vogt Landschaftsarchitekten (Berlin/Zürich). Sie sieht für das Königsufer eine an gründerzeitlichen Typologien orientierte Bebauung vor. Der Blockrandbebauung des Siegerentwurfes vorgelagert sollen Pavillons und kleinere Gebäude den Übergang zum Elbraum gestalten. Eine straßenbegleitende Bebauung neben dem Blockhaus und hinter dem Hotel Bellevue soll die Große Meißner Straße wieder stadträumlich fassen. Den Platz um den Neustädter Markt sollen in Anlehnung an die historische Bebauung vor 1945 zwei Kleinquartiere verdichten. Dafür müsste der östliche Brunnen verschoben werden. Die Platanen auf der östlichen und westlichen Seite des Platzes würden größtenteils gefällt.
Per Stadtratsbeschluss wurde bereits festgelegt, dass eine Rekonstruktionsvariante des „Narrenhäusels“ errichtet werden soll. Als maßstabsbildendes Gebäude zum Blockhaus hin
und als Übergang in die Uferzone ist ein Bau in der Kubatur des früheren Narrenhäusels an dieser Stelle wünschenswert. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass die Ausschreibung zu der konkreten Fassade auch eine zeitgenössische Interpretation ermöglicht hätte. Am Ende hätte man zwischen drei Entwürfen wählen können: einer rekonstruierenden Barockvariante, einer rekonstruierenden Heimatstilvariante oder eben einer zeitgenössischen Variante.
Das wäre eine Diskussion mit offenem Visier gewesen. Leider wünschten die Fraktionen von CDU bis Linke in diesem Fall übergreifend konservativ nur eine historische Applikation.
Diese immer wieder vorgetragene Idee einer Rekonstruktion aber engt unseren Gestaltungshorizont ein und verhindert das Entstehen von guten zeitgenössischen Lösungen.
Stärke des vorliegenden Entwurfes besteht in der abwechslungsreichen Gliederung der Baukörper
Die Stärke des vorliegenden Entwurfes besteht in der abwechslungsreichen Gliederung der Baukörper entlang der Großen Meißner Straße. Dass die Häuser nur bis zur halben Tiefe des
benachbarten Finanzministeriums in den Landschaftsraum des Elbufers hineinragen, war eine richtige und gesetzte Vorgabe seitens des Stadtrates. Die vorgelagerten kleineren Gebäude
und Pavillons sind ein interessanter Ansatz. Dennoch halte ich die vorgeschlagene Überbauung des Neustädter Marktes für falsch. Die großzügige Eingangsgeste in die Neustadt, die die vorhandene, zur Elbe sich öffnende städtebauliche Figur der 80er Jahre-Bebauung herstellt, würde damit verschwinden.
Weitgehend ersatzlos verschwinden würden auch die Platanen, das Grün der Hochbeete auf der Ost- und die Rasenflächen auf der Westseite. In Zeiten der zunehmenden innerstädtischen
Überhitzungen in den Sommermonaten scheint die Überbauung und Versieglung des Platzes geradezu absurd.
In den neuen Gebäuden an dieser Stelle würden hochpreisige Eigentumswohnungen entstehen. Sie würden auch die DDR-Bauten unter Gentrifizierungsdruck setzen – mit der
Gefahr, dass diese langfristig zugunsten einer teurer vermarktbaren Architektur abgerissen werden könnten.Last but not least würden die neuen Gebäude weitgehend den Blick vom Neustädter Markt auf die Frauenkirche und die Innenstadt verstellen. Ist sich der Stadtrat darüber im Klaren?
Ich denke nein. Es ist schwer, sich die tatsächliche stadträumliche Wirkung der Planungen vorzustellen. Mittels Gerüsten und Planen wäre es möglich, sie faktisch zu visualisieren, um
einen echten Eindruck zu bekommen. Ich denke, an einer solch sensiblen Stelle des Stadtraumes ist dieser Aufwand nicht übertrieben, sondern notwendig.
Zentral für die Belebung und die Erlebbarkeit des Neustädter Marktes ist der Rückbau der Verkehrsschneise Große Meißner Straße
Zentral für die Belebung und die Erlebbarkeit des Neustädter Marktes ist der Rückbau der Verkehrsschneise Große Meißner Straße. Notwendig wäre es, die zurzeit vorhandenen vier
Spuren auf zwei Spuren zu reduzieren. Mit einer privatautofreien Augustusbrücke, für die dieGrünen seit Jahren kämpfen, wäre auch die Flaniermeile vom Hauptbahnhof bis zum
Albertplatz durchgängig. Eine Tunnellösung die immer wieder ins Gespräch gebracht wird ist zu teuer, benötigt große Einfahrtsrampen und kann im Hochwasserfall überflutet werden.
Weltweit bekommen Radverkehr und Fußgänger mehr Platz in den Innenstädten. Wir leisten uns noch immer diese autogerecht geplante Schneise durch die innere Neustadt. Sie ist nicht
nur eine Belastung für den Neustädter Markt, sondern auch für den Palaisplatz, den wunderbar großzügigen Platz vor dem japanischen Palais. Grundsätzlich ist auch zu kritisieren, dass der Wettbewerb zu wenig über für die Stadt wichtige öffentliche Nutzung des Königsufers nachdenkt. An diesem phänomenalen Ort lediglich hochpreisige Wohnungen, Läden und Büros zu erreichten, halte ich für verfehlt.
Die Stadt und der Freistaat sollten dringend prüfen, ob an dieser Stelle eine öffentliche Adresse wie beispielsweise eine Kunsthalle, ein Museumsgebäude, ein Literaturhaus, eine
Repräsentanz der Sächsischen Akademie der Künste oder eine internationales Begegnungszentrum in Frage käme. Als herausragender Ort sollte das Königsufer eine identitätsstiftende und zukunftszugewandte Wirkung für Dresden entfalten.
Meine Vorstellung des Neustädter Marktes wäre:
schnelle Sanierung des östlichen Brunnens
Aufwertung der freiräumlichen Qualitäten des Platzes: mehr Schatten durch Bäume, mehr Sitzgelegenheiten
Erneuerung der verschlissenen Platzoberfläche
Erhalt der kleinen Galerien und Kreativläden, die sich in den Vonoviahäusern angesiedelt haben
Richtung Volkskunstmuseum sollte an einer stadträumlich besser gefassten Situation gearbeitet und der kleine Platz mit dem Brunnen erneuert werden. Dort ist im Abschluss – wie vom ersten Preis vorgesehen – ein Gebäude wünschenswert.